Märchen & Sagen

Märchen und Sagen

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  • Die Wichtelkirche

    In der engen Schlucht zwischen dem Dörnberg und dem Kessel, in unmittelbarer Nähe der Quelle des Heilerbaches, erhebt sich ein mächtiger, wunderbar geformter Basaltblock. Das steile Felsengebilde besitzt eine nur von Norden her durch einen schmalen Pfad zugängige Plattform. Auf dieser stand die kleine Burg Blumenstein. Die Besitzer dieser Burg, die Herren von Blumenstein, standen im Warmetal in hohem Ansehen. Nach Norden war die Burg durch Wall und Graben gegen feindliche Angriffe gesichert Erwähnunen der Herren von Blumenstein in alten Urkunden gehen bis in das Jahr 1213 zurück und enden um 1611. Von der Burg Blumenstein, die besser als Wichtelkirche bekannt ist, wird die Sage von der Zierenberger Wichtelkirche erzählt:

    An der Nordwestseite des Dörnbergs erhebt sich der Blumenstein, ein kahler Basaltfelsen, der die Gestalt einer kleinen Kirche hat und daher vom Volke "Wichtelkirche" genannt wird. Im Schoße des Berges wohnte hier einst ein Wichtelkönig mit zahlreichen Wichteln. Eines Tages gewahrte der Fürst der Gnomen am Abhang des Berges eine liebliche Jungfrau. Oft ging er nun seitdem zu diesem Ort in der Hoffnung, das holde Mädchen wieder einmal zu erblicken. Und sein Herzenswunsch ging in Erfüllung. Eines Abends erschien das Mädchen auf der Bergeshalde, um Blumen zu pflücken.

    Nach einer Weile legte sich Gotelind zu kurzer Ruhe in das kühle Gras nieder und schlummerte ein. In Gestalt eines Menschen näherte sich der Wichtelkönig der geliebten Jungfrau, setzte sich ihr zur Seite und küßte sie beim Erwachen inniglich. Er gestand Gotelind seine Liebe und daß er der König der Wichtel sei, versprach ihr viel Gold und Silber und eine diamantene Krone, wenn sie die Seine werden wolle. Doch bei allem versprochenen Reichtum und aller Pracht lehnte Gotelind das Begehren seines heidnischen Glaubens wegen ab. "Wenn nur das der Grund Deiner Ablehnung ist", sagte der Wichtelkönig, "so soll ein Priester uns den Segen in einem Kirchlein sprechen". Daraufhin willigte das Mädchen ein. Ort und Stunde der Vermählung wurden festgesetzt.

    Die verabredete Johannisnacht kam herbei. Der Vollmond ergoß sein Silberlicht über die Blumenpracht der herrlichen Landschaft und beim Quell des Heilerbaches über ein prunkvolles Kirchlein, das der Wichtelkönig von seinem Zwergenvölklein zur Hochzeit eilig hatte errichten lassen. Sein Inneres strahlte vom Glanz der Lichter, und süße Melodien ertönten aus ihr über Feld und Wald. Im feierlichen Zug trat das Paar in die Kapelle. Trotz aller Pracht war das Herz des Mädchens mit Angst und Scheu erfüllt, denn alles schien ihm kalt und seelenlos. Und als die Jungfrau auf des Priesters Aufforderung ihr feierliches Ja-Wort geben sollte, da stöhnte sie: "Nein!"

    Im selben Augenblick erfüllte furchtbarer Donnerschlag das Kirchlein, Blitze zuckten, die Lichter erloschen, alle Pracht war verschwunden, und da, wo noch eben die Kirche in leuchtendem Kristall zur Hochzeitsfeier festlich geschmückt stand, erhob sich ein Felsen starr und kahl in Gestalt einer Kirche, der heutigen Wichtelkirche. Am Himmelszelt funkelten die Sterne wie ehedem, der Mond wandelte langsam seine Bahn in der Stille der Johannisnacht und ließ Berg und Tal mit der neuerstandenen Wichtelkirche im Glanze seines Silberlichtes erstrahlen. Leise sich wiegend leuchteten traumversunken im weiten Rund der Bergeshalde die weißen Sterne der Johannisblumen und erfüllten die Zaubernacht mit ihrem Duft. Innerlich befreit kehrte Gotelind beim Erwachen der Morgenröte zu den Ihren ins Tal zurück.

    (Quelle: Fritz Hufschmidt, Versuch einer Geschichte des oberen Warmetals, Wolfhagen, 1905, S. 73-75)

  • Der Geist Reyneke

    Im Jahre 1349 ist in Zierenberg, einer Stadt des Landgrafen von Hessen, ein Gespenst erschienen: eine kleine Menschenhand, weich und zart, kam zum Vorschein und ließ sich anfassen, wohl tausend Menschen haben sie berührt und geschüttelt.

    Weiter sah man von dem Geiste nichts. Man fragte ihn, wer er er sei und er antwortete mit der Stimme eines Mannes, er hieße Reyneke und sei ein Mensch und Christ, in Göttingen getauft. Die Leute wollten wissen, ob er allein sei. Darauf sagte er:"Nein, wir sind ein großes Volk und wohnen in dem Kirchenberg, der hier bei Zierenberg liegt. Mein Stamm ist fein und zart. Es wohnen aber auch welche im Bärenberg, die sind Tölpel, richten allerlei Unheil an und wühlen in der Erde."

    Wenn der Geist Reyneke nach Zierenberg kam, wurde er von einem braven Manne beherbergt. Einmal kam überraschend ein Verwandter des Mannes zu Besuch. Da der Mann nichts zu Essen im Hause hatte, kümmerte sich Reyneke darum und ließ einen reichlich gedeckten Tisch erscheinen. Es gab Weizenbrot, Wein und Bier, gekochtes und gebratenes Fleisch, auch Wildbret, und Reyneke hieß den Gastfreund wacker mit zulangen.
    Reyneke hatte die Hausmagd Styneken sehr gern. Als einmal der Knappe Hermann von Schartenberg dem Mädchen einen Apfel schenkte, wurde der Geist zornig und sagte:"Das tust Du mir nicht wieder!" - "Ich habe ihr ja nur einen Apfel geschenkt.", entschuldigte sich der Knappe. - "Ja wohl, aber Du hattest auch noch anderes im Sinn!".

    Einmal wollte einer den Geist Reyneke ärgern und durch die Hand stechen. Er ging in jenes Haus und rief:"Bist Du da, Reyneke?" "Ich bin da!" antwortete der Geist. "Dann zeige einmal Deine Hand her!" - "Dir selbst will ichs zeigen, Du schlechter Lümmel und Verräter, pack Dich fort!" rief Reyneke zornig, denn er wußte, was der Mann vorhatte. Dieser sprach:"Zeig Dich, ich will Dir meine Hand dafür auch zeigen!" - Kaum hatte er sie ausgestreckt, so stach sie der Geist durch mit einem Eisen.

    frei nach: Fritz Hufschmidt, Versuch einer Geschichte des oberen Warmetales, Zierenberg 1905

  • Die weiße Frau

    Auf dem Schartenberg liegt die Ruine der Schartenburg. Nur der Turm ist noch erhalten, doch ist an Mauerresten, Gräben und Wällen im Wald die einstige Größe dieser Doppelburg noch gut zu erahnen.

    Vor langer Zeit, als die Burg schon nicht mehr bewohnt war und zu zerfallen begann, lagerte an einem Frühlingsmorgen ein Schäfer mit seiner Herde am Hang unterhalb der Burg. Er war unverschuldet in Armut geraten und dachte nun traurig über sein Schicksal nach, als plötzlich eine weiß gekleidete Jungfrau vor ihm erschien. Sie sagte: "Geh mit mir in den Berg, dort erwarten Dich große Reichtümer. Zuvor mußt Du aber eine schöne Blume brechen. Diese sollst Du mit in den Berg nehmen und nicht loslassen, denn sie ist das Wertvollste."

    Der Schafhirte tat, wie ihm die Jungfrau geheißen. Er pflückte eine kleine Blume, die er vorher noch gar nicht bemerkt hatte und folgte der Jungfrau in den Berg, der sich vor ihnen auftat. Da lagen Berge von Gold vor ihm. Die Jungfrau sagte, er dürfe davon nehmen, soviel er wolle. Der Schäfer stopfte sich die Taschen mit Gold voll.

    Vor lauter Freude über den unverhofften Reichtum dachte er aber nicht mehr an die Anweisung der weißen Frau. Er vergaß das Blümlein und trat mit seinen Schätzen aus dem Berg heraus. Da schloß sich mit einem Krachen der Berg. Jungfrau und Gold waren verschwunden und er war wieder nichts als ein armer Schäfer. Wer aber gut aufpaßt, kann vielleicht an einem schönen Frühlingstag das kleine Blümchen finden...

  • Wie die Stadt Zierenberg entstand

    Über dem Tal der Warme erheben sich in der Nähe der Stadt Zierenberg der kleine und der große Gudenberg.

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    inst standen auf den Gudenbergen stolze Burgen. Auf der oberen Burg lebten der Herr Grope von Gudenberg und seine wunderschöne Frau. Auf der unteren Burg wohnte der Herr Eckhard von Gudenberg, der die Frau Grope zu seiner Geliebten machte. Alle Ermahnungen des Herrn Grope von Gudenberg halfen nichts, die beiden Liebenden wollten sich nicht trennen. Nun fasste der Herr Grope von Gudenberg in seiner Verzweiflung einen furchtbaren Entschluss. Er beschloss, sich wegen dieser Untreue bitter zu rächen.

    Schon lange hatte der Landgraf Heinrich von Hessen die beiden Burgen belagert, doch konnte er sie nicht erobern. Bei einer erneuten Belagerung der beiden Burgen half ihm der Grope von Gudenberg, sich der Burg zu bemächtigen. In die Mauer seiner eigenen Burg brach er ein Loch, durch das der Landgraf und seine Söldner in das Innere der Burg gelangen konnten. Die obere Burg wurde zerstört, und nun war es für den Landgrafen einfach, auch die untere Burg zu erobern. Da die Einwohner der umliegenden Dörfer dem Landgrafen bei der Eroberung der Burgen treue Dienste geleistet hatten, schenkte er ihnen aus Dankbarkeit das Gelände um den Bärenberg und die beiden Gudenberge.

    Die Bewohner der Dörfer verließen ihre Orte und errichteten am Osthang der Gudenberge eine neue Siedlung. Es entstand die Stadt Zierenberg, für deren Erbauung die Steine der zerstörten Burgen verwendet wurden.

    Quelle: Sagen und Geschichten aus Nordhessen von Weser, Diemel und Fulda, zusammengestellt von Eberhard Michael Iba, 1990, Verlag CW Niemeyer Hameln

  • Der Schatz der Schartenburg

    In der Schartenburg bei Zierenberg sollen noch ungeheure Schätze liegen. Drei Männer aus Zierenberg, die während des Dreißigjährigen Krieges ihr ganzes Vermögen verloren hatten, trafen sich und beschlossen diese Schätze zu bergen.

    Im Schlosshof fällten sie zwei Bäume und zimmerten daraus, so gut es ging, eine Leiter, mit deren Hilfe sie die Schätze in einem der Schlosstürme bergen wollten. Es wurde ausgelost, wer von den Männern zuerst in den Turm steigen sollte, und die Wahl fiel auf den mutigsten. Das Unternehmen begann, und einer der Männer befestigte einen Strick um seinen Bauch, so dass er sich an ihm in den Turm herablassen konnte. Lange schaute er in ein tiefes, finsteres Loch hinunter, horchte, ob sich dort nichts rege, und wandte sich dann ziemlich verstört an seine Kameraden. Er war plötzlich ängstlich geworden und wollte lieber ein armer Tagelöhner bleiben, als in diesen Turm zu steigen. Auch den beiden anderen erging es nicht viel besser, und so kehrten sie unverrichteter Dinge wieder nach Zierenberg zurück. Den Schatz, nach dem sie suchten, ließen sie auf der Burg zurück.

    Quelle: Sagen und Geschichten aus Nordhessen von Weser, Diemel und Fulda, zusammengestellt von Eberhard Michael Iba, 1990, Verlag CW Niemeyer Hameln

  • Der Schatz im Krambühl

    Zwischen Zierenberg und dem Dörnberg liegt ein kahler Hügel, der Krambühl genannt. Als der Schafhirt von Zierenberg eines Abends seine Wohnung verließ, um die Nacht bei seiner Herde zuzubringen, gewahrte er plötzlich in der Nähe des Krambühls eines Frau, die ihm winkte, zu ihr herüber zu kommen. Schweigend deutete die Frau auf den Hügel. Der Schäfer verstand den Wink, nahm seine Schippe und fing an, den Boden umzugraben.

    Es dauerte nicht lange, und er hatte einen Kessel voller Goldstücke freigelegt. Groß war seine Freude, als ihm die Frau zu verstehen gab, dass er den Kessel samt Goldstücken mitnehmen und behalten könne. Der Kessel war jedoch so schwer, dass er ihn nicht allein heben konnte. Schon wollte er entmutigt die Arme sinken lassen, da raffte er noch einmal zu einem letzten Versuch all seine Kräfte zusammen und hob den Kessel von der Stelle. Wegen der großen Anstrengung glitt ihm aber ein ächzendes "Hilf Gott" über die Lippen, und schon stand er allein im Abenddunkel: Kessel, Grube und Frau waren verschwunden.

    Später hat er oft mit der Hacke den Boden aufgewühlt, aber nie fand er wieder die Spur von dem Kessel.

    Quelle: Sagen und Geschichten aus Nordhessen von Weser, Diemel und Fulda, zusammengestellt von Eberhard Michael Iba, 1990, Verlag CW Niemeyer Hameln